Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde ganz Europa von einer Geisteshaltung erfasst, deren Einfluss sich bis in unsere Zeit hinein fortsetzt, und die wir als die Epoche der Romantik kennen. Sie war von einer Vielzahl von kulturellen, intellektuellen und künstlerischen Strömungen geprägt, die eine neue Wertschätzung für die Emotionen, die Natur und die Spiritualität hervorbrachten.
Die Romantik war eine Reaktion, vielleicht sogar eine Art kulturelle Protestbewegung. Seit der Zeit der Aufklärung hatte sich ein zunehmend materialistisches Weltbild entwickelt, und auch der neue Blick auf den Menschen war von Rationalität und Vernunft geprägt.
Die modernen Inhalte, die nach und nach in das gesellschaftliche Bewusstsein vorgedrungen waren, stellten jedoch für viele Menschen eine Überforderung dar. Sie vermissten das Schöne, das Sinnliche, die Spiritualität und das nicht bis ins Detail rational Erklärbare in der Welt und in ihrem Leben.
Die zunehmende Grausamkeit, in die sich die französische Revolution mit ihren realen Schrecknissen hinein entwickelte, bedeutete eine weitere Erschütterung des Vertrauens in die eigentlich großartigen Errungenschaften der Aufklärung. „Junge Künstler*innen und Schriftsteller*innen begannen nun, sich mit den düsteren Aspekten der Romantik zu beschäftigen. Sie widmeten sich jetzt verstärkt den Kehrseiten der Vernunft, und das Schreckliche, das Wundersame und Groteske machten dem Schönen und Makellosen die Vorherrschaft streitig. Ihre Werke erzählen von Einsamkeit und Melancholie, von Leidenschaft und Tod, von der Faszination des Grauens und dem Irrationalen der Träume.“ (*)
Die Vertreter*innen der Schwarzen Romantik waren also von der dunklen Seite des menschlichen Wesens und der Natur fasziniert und erkundeten in ihren Werken Themen wie das Übernatürliche, das Unheimliche und das Abgründige der menschlichen Psyche.
In England bildete sich im späten 18. Jahrhundert eine eigene Literaturgattung heraus – die Gothic Novel. Diese Romane zeichnen sich durch eine düstere, unheilvolle Atmosphäre und Spannung aus. Aus dieser Form der Schauerliteratur wiederum entwickelte sich ab dem 19. Jahrhundert die moderne Horrorliteratur.
Die Herkunft des Begriffs „Schwarze Romantik“ ist nicht genau zu ermitteln. Bekannt wurde er vor allem durch die Veröffentlichung des Literaturwissenschaftlers Mario Praz „La carne, la morte e il diavolo nella letteratura romantica“ von 1930, die 1963 auf deutsch als „Liebe, Tod und Teufel. Die Schwarze Romantik“ erschien.
Die Schwarze Romantik war eine Bewegung innerhalb der Romantik und lässt sich nie ganz genau von der Hauptströmung abgrenzen. Sie hat sich in der Literatur, aber auch in der Bildenden Kunst ihren Platz erobert. Berühmte literarische Vertreter*innen sind Mary Shelley (Frankenstein oder Der neue Prometheus), Charles Baudelaire (Die Blumen des Bösen), Edgar Allan Poe (Der Untergang des Hauses Usher) oder E.T.A. Hoffmann (Die Elixiere des Teufels).
(*) Quelle: Städel Museum Frankfurt am Main, Broschüre zur Ausstellung „Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst“, 2012/2013.